Neue Regeln bei Auslandsbezug

    Auslandbezug

    Seit dem 17. August 2015 gelten neue Regeln für die Vererbung im Falle eines Auslandsbezugs, sei es, dass der Verstorbene zum Beispiel in seinem Ruhestand einen Wohnsitz im Ausland zumindest zeitweise als Wahlheimat genommen hat, sei es, dass er geschäftlich oder beruflich häufig im Ausland tätig war und dort auch wohnte, oder sei es schließlich, das im Ausland belegene Häuser oder sonstige Immobilien zum Nachlass gehören.

    Bisher regelte sich der Erbfall mit Auslandsbezug nach deutschem internationalem Privatrecht, wenn der Verstorbene Deutscher war (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Das bedeutete, dass nach deutschem Erbrecht vererbt und der Erbfall entsprechend abgewickelt wurde. Das bedeutete weiter, dass im Falle von Auslandsimmobilien das dort am Ort geltende Erbrecht für diese Nachlassgegenstände anwendbar war. Es galt das Erbrecht des Orts der belegenen Sache (lex rei sitae; Art. 25 Absatz 2 EGBGB). Es kam also zur Nachlassspaltung: zwei verschiedene Rechtszustände nebeneinander kamen bei Erbfällen mit Auslandsbezug zur Anwendung, wenn zum Nachlassvermögen auch ausländischer Grundbesitz zählte.

    Dieser Rechtszustand gilt jetzt seit dem 17. August 2015 so im Grundsatz nicht mehr (Art. 84 Abs. 2 EU-ErbVO).. Denn seitdem gilt die 3. EU-ErbVO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 4. Juli 2012, kurz genannt Europäische Erbrechtsverordnung – EUErbVO und veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union, ABl. EU Nr. L 201 von 27 Juli 2012, S. 107 ff (dazu Simon / Buschbaum, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, NJW 2012, S. 2393 ff; Lechner, Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente in der neuen EU-Erbrechtsverordnung, NJW 2013, S. 26 ff; Lehmann, EU-ErbVO: Die Verordnung im Kurzüberblick, ZEV 2012, S. 533 f; Leitzen, EU-ErbVO:

    Praxisfragen an der Schnittstelle zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht, ZEV 2012, S. 520 ff). Exakt trägt die Verordnung den Titel „Europäische Erbrechtsverordnung – Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen und zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.

    Bei der EU-ErbVO handelt es sich um einen Rechtsakt der EU, der unmittelbar in den Mitgliedstaaten anzuwenden ist, ohne dass es dazu eines nationalen Umsetzungsakts bedarf (Gottwald, Internationales Erbrecht – Die Europäische Erbrechtsverordnung 2012, EE 2012, Sonderband Oktober 2012, S. 1.

     

    Zur Veranschaulichung der neuen Regelungen dient das folgende Beispiel:

    Erblasser T mit deutscher Staatsangehörigkeit und letztem Wohnsitz in Hannover hinterlässt Bankguthaben und anderes bewegliche Vermögen sowie ein Ferienhaus in Spanien.

    Verstarb T bis zum 16. August 2015, so wird der Erbfall nach den Grundregeln des deutschen Kollisionsrechts (deutsches internationales Privatrecht – Art. 25 EGBGB) abgewickelt. Hier gilt das Staatsangehörigkeitsprinzip: Das Erbrecht richtet sich nach dem Heimatrecht des Erblassers. Hier kommt also deutsches Erbrecht zur Anwendung. Für das Ferienhaus in Spanien kommt es zur Nachlassspaltung. Denn für diesen Vermögenswert gilt spanisches Erbrecht als Recht der belegenen Sache.

    Verstirbt T nach dem 16. August 2015, so wird nach der neuen EU-ErbVO nicht mehr auf seine Staatsangehörigkeit abgestellt, sondern auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes. Dadurch soll eine Nachlassspaltung vermieden werden und einheitliches Erbrecht für die Abwicklung der Nachlasssache greifen.

    Ziele und Inhalt der EU-ErbVO

    Grob gesagt verfolgt die EU-ErbVO das Ziel, die Anwendung des Internationalen Privatrechts über die Rechtsnachfolge von Todes wegen durch verschiedene Mitgliedstaaten der EU zu klären und dafür ein einzelnes und einheitliches System für die Anerkennung des Erbrechts, Planungs- und Verwaltungsrechts einzuführen. Wiederum grob gesagt geschieht dies, indem jetzt auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen abgestellt wird (Art. 21 EU-ErbVO), anstatt darauf, ob die Vermögensgüter im Nachlass des Verstorbenen beweglich oder unbeweglich sind (Grehan, EE 2015, S. 104).

    Alle Vermögensgüter sollen also auf der Grundlage eines einheitlichen Erbrechts übertragen werden. Maßgebend soll nach der Vorgabe der EU-ErbVO das Erbrecht des Mitgliedstaats der EU sein, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Zusammenfassend lässt sich zum Inhalt der EU-ErbVO festhalten, dass sie die internationale Zuständigkeit für Erbsachen (Art. 4 – 19 EU-ErbVO; dazu: Leipold, Die internationale Zuständigkeit für die Ausschlagung der Erbschaft nach EU-ErbVO, ZEV 2015, S. 553 ff), das anzuwendende Erbrecht (Erbstatut; Art. 20 – 38 EU-ErbVO), die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Nachlasssachen (Art. 39 – 61 EU-ErbVO; eingehend: Wilsch, Die Verordnung in der deutschen Grundbuchpraxis, ZEV 2012, S. 530 ff), und die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (Art. 62 – 73 EU-ErbVO) regelt. Die EU-ErbVO hat damit keine Auswirkungen auf den Bereich des Erbschaftssteuerrechts (Gottwald, EE 2012 Sonderband Oktober 2012, S. 1, 2; Küsel, Die Testamentsgestaltung, Bayerische Hausbesitzer-Zeitung 8/2015, S. 386).

    Der örtliche Geltungsbereich im Einzelnen

    Die EU-ErbVO wird im Bereich der gesamten EU mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien (dazu eingehend: Parkinson / Lehmann, Großbritannien: Bedeutung der EU-ErbVO, ZEV 2014, S. 154), Irlands und Dänemarks angewendet.

    Grehan (EE 2015, S. 104, 105) weist für den Fall der irischen Rechtsordnung darauf hin, dass die EU-ErbVO trotzdem für den irischen Rechtskreis Bedeutung entfaltet. Denn Fälle mit Auslandsbezug seien wegen des Rechts auf Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit, die der EU zu Grunde lägen, auch in Irland relevant (vergleiche näher zum Rechtszustand in Irland: Grehan, EE 2015, S. 104 ff). Diese Aussage für das irische Recht lässt sich durchaus verallgemeinern. Denn die Verordnung enthält Verweisungen auf das jeweils nationale Erbrecht, bei denen es sich um universell geltende Kollisionsnormen handelt (Art. 20 EU-ErbVO). Deshalb gelten diese Verweisungen auch im Verhältnis zu den EU Mitgliedstaaten, die von der Verordnung nicht erfasst sind. Sie gelten außerdem für so genannte Drittstaaten – das sind Staaten außerhalb der EU – ebenso uneingeschränkt.

    Sie findet allerdings auch Anwendung in solchen Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind (Art. 20 EU-ErbVO). In diesem Fall sind die Rück- und Weiterverweisungen der EU-ErbVO zu beachten (Art. 34 EU-ErbVO). Bestehende Staatsverträge zwischen Deutschland und der Türkei, dem Iran und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gehen der EU-ErbVO ebenfalls vor (Art. 75 Abs. 1 EU-ErbVO; näher: Kaya, Der Nachlass eines deutsch-türkischen Doppelstaaters, ZEV 2015, S. 208 ff).

    Der gegenständliche Geltungsbereich im Einzelnen

    Die Verordnung gilt nur für Erbfälle, also für den todesbedingten Übergang des Nachlassvermögens auf die gesetzlichen, testamentarischen oder erbvertraglichen Erben. Die lebzeitige Übertragung von Rechten und Vermögenswerten (vorweggenommene Erbfolge) ist ausdrücklich ausgenommen (Art. 1 Absatz 2g EU-ErbVO). Dabei ist es einerlei, ob es sich um vorweggenommene Schenkungen, um gemischte Schenkungen und damit um teilentgeltliche oder schließlich um voll entgeltliche Erwerbe behandelt. Auch so genannte unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten und Lebenspartnern unterfallen der Verordnung nicht (vertiefemd Coester, Das Erbrecht registrierter Lebenspartner unter der EU-ErbVO, ZEV 2013, S. 115 ff).

    Schließlich sind Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen ausgeschlossen. Denn auch nach deutschem Recht erwirbt der Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung die versprochene Leistung im Todesfall des Versicherten nicht im Wege der Erbrechtsnachfolge (so Gottwald, Die Europäische Erbrechtsverordnung 2012, EE Sonderband 2012, S. 1, 4). Das Schenkungsversprechen auf den Todesfall (§ 2301 Abs. 1 BGB) dürfte der Verordnung hingegen unterfallen (so: Dörner, EU-ErbVO: Die Verordnung zum Internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht ist in Kraft!, ZEV 2012, S. 505 ff). Denn es ist als erbrechtlich zu qualifizieren (hinweisend: Gottwald, a. a. O.). Schließlich ist die Pflichtteilsergänzung wegen lebzeitiger Zuwendungen und andere Folgen lebzeitiger Zuwendungen im Erbrecht auszugrenzen. Denn sie unterliegen dem Erbstatut (Art. 23 Absatz 1h) und i) EU-ErbVO, so: Janzen, DNotZ 2012, S. 484), ebenso das landwirtschaftliche Höferecht, das durch die neuen EU-Regeln nicht beeinflusst wird.

    Der gewöhnliche Aufenthaltsort

    Wie dargelegt stellt die EU-ErbVO auf den „gewöhnlichen Aufenthaltsort“ des Erblassers ab. Die Definition dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der EU-ErbVO, sondern auch nur unscharf aus den kommentierenden Erwägungsgründen zu dieser EU-ErbVO. Hier soll es auf die Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod oder im Zeitpunkt seines Todes ankommen. Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie eine enge und feste Bindung zum jeweiligen Staat spielen bei der Bestimmung eine wesentliche Rolle, insbesondere die Feststellung eines gewählten Lebensmittelpunktes.

    Maßgebend soll also sein, dass der Erblasser an einem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Dieser Schluss wird aus den ermittelten tatsächlichen Verhältnissen gezogen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Schwerpunkt der sozialen Kontakte insbesondere in familiärer und beruflicher Hinsicht gelegt. Ist von Anfang an zum Beispiel ein Aufenthalt im Ausland von mehr als sechs Monaten zeitlich zusammenhängend geplant, soll dies nicht mehr nur vorübergehend sein. Kurze Unterbrechungen des Auslandsaufenthaltes beeinträchtigen dabei nicht. Der Erblasser kann also durchaus gelegentlich in sein Heimatland zurückkehren und sich dort aufhalten, ohne dass dies bei der Wertung ins Gewicht fallen muss.

    Diese Kriterien zeigen: Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts kann außerordentlich schwierig werden. Dies illustrieren weiterhin die folgenden Beispiele:

    • Der Erblasser wohnt dauernd im Ausland – zum Beispiel an der italienischen Reviera, behält aber die deutsche Staatsangehörigkeit.
    • Der Erblasser wohnt gelegentlich oder auch regelmäßig im Ausland, so zum Beispiel während der Wintermonate, seine Rente genießend, auf Mallorca.
    • Der Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit, als Rentner zeitlich und örtlich ungebunden, vererbt Grundbesitz in Frankreich, ein Mehrfamilienhaus sowie bewegliches Vermögen in Deutschland, lebte aber seit Jahren auf Teneriffa.
    • Der Erblasser besitzt eine Ferienwohnung in Frankreich, verbringt dort aber nur ein paarmal im Jahr seinen Urlaub, und lebt ansonsten in Deutschland.

    Weil der Begriff „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, bleibt den rechtsanwendenden Behörden und Gerichten ein erheblicher Beurteilungsspielraum zur Entscheidung der Frage, wo der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte und welches Recht demgemäß zur Abwicklung seines Nachlasses anzuwenden ist. Dazu formulieren Erwägungsgründe 23 Satz 2 und 3:

    „Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthaltsort sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser EU-ErbVO eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.“

    Die Erwägungsgründe 24 und 25 befassen sich mit den im Einzelfall hochkomplexen Abwägungen und den dadurch entstehenden Schwierigkeiten, geben aber keine Lösungsmuster vor. Deshalb bleibt unsicher, ob das vom Erblasser gewünschte Erbrecht zur Abwicklung seines grenzüberschreitenden Erbfalles angewendet wird. Vor allem bleibt unsicher, ob der Inhalt sowie die gewählte Form seiner Verfügung von Todes wegen – Testament oder Erbvertrag – dann nach dem fremdbestimmten Erbrecht anerkannt wird und umsetzbar ist oder nicht. Diese Unsicherheiten können auch nicht durch einen Rückgriff auf die bisher ergangene Rechtsprechung insbesondere der deutschen Gerichte zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eliminiert werden (vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2009 – C-523/07, FamRZ 2009, S. 843; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2011 – XII ZB 182/08, NJW 2011, S. 855, jeweils zur Interpretation des Begriffs für den gewöhnlichen Aufenthalt von Minderjährigen).

    Besonders problematisch kann dies im Falle eines errichteten gemeinsamen Testaments werden. Probleme können sich auch bei angeordneten Vor- und Nacherbschaften ergeben.

    Problemfall: Gemeinsames Testament /Berliner Testament

    In einem gemeinsam errichteten Testament setzen sich Eheleute gegenseitig zu Erben ein (siehe § 2269 BGB für das Berliner Testament). Dabei beerbt der länger Lebende den zuerst Versterbenden. Der länger lebende Ehegatte vererbt dann zum Beispiel weiter auf die Kinder, die Enkel oder auf beliebige weitere Dritte. Diese Testamentsform wird etwa in Frankreich, Belgien, Italien und auch Spanien nicht anerkannt (zu den erbrechtlichen Auswirkungen der VO dort vgl. Parkinson / Lehmann, Großbritannien: Bedeutung der EU-ErbVO, ZEV 2014, S. 154; Castelli / Lauda, Italien: Bedeutung der EU-ErbVO, ZEV 2014, S. 154; Steinmetz / Löber / Alcazar, Die EU-ErbVO und ihre Anwendbarkeit im Mehrrechtsstaat Spanien, ZEV 2013, S. 535 ff).

    Das gilt in gleicher Weise auch für einen geschlossenen Erbvertrag mit entsprechendem Inhalt (vgl. zu diesen Fällen und ihrer Behandlung in der EU-ErbVO näher: Lechner, Erbverträge und gemeinsame Testamente in der neuen EU-Erbrechtsverordnung, NJW 2013, S. 26 f; Lehmann, Erhöhter Druck auf Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament sowie Vor- und Nacherbfolge durch die EO-ErbVO, ZEV 2015, S. 309 ff; Nordmeier, Erbverträge und nachlassbezogene Rechtsgeschäfte in der EU-ErbVO, ZEV 2013, S. 117 ff; Nordmeier, EU-ErbVO: Neues Kollisionsrecht für gemeinschaftliche Testamente, ZEV 2012, S. 513 ff; Leipold, Dass Europäische Erbrecht (EU-ErbVO) und das deutsche gemeinschaftliche Testament, ZEV 2014, S. 139 ff; Landsittel / Rumland, Risiken gemeinschaftlicher Testamente für juristische Laien, ZEV 2012, S. 644).

    In einem solchen Falle lässt sich ein gemeinsames Testament aber dadurch retten, dass beide testierenden Ehegatten handschriftlich auf der Testamentsurkunde zusätzlich verfügen, dass das deutsche Erbrecht für die behandelten beiden Erbfälle gelten soll.

    Problemfall: Anordnung von Vor- und Nacherbschaft

    Außer aus rechtlichen und auch aus steuerrechtlichen Gründen wird bei der erwähnten Form eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments gerne auch mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft gearbeitet. Im spanischen Erbrecht zum Beispiel sind diese Gestaltungsformen gar nicht bekannt. Der überlebende Ehegatte erhält dort zum Beispiel ein Wohnrecht an einem übertragenen Haus, das dem zuerst Versterbenden gehört hatte. Dieses Wohnrecht hebelt dann ein nach deutschem Erbrecht gestaltetes gemeinschaftliches Ehegattentestament in Bezug auf die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft aus. Unter einer Vor- und Nacherbschaft versteht man folgendes:

    Der Erblasser kann eine oder mehrere Personen als Nacherben einsetzen (§§ 2100 ff BGB), also einen Erben in der Weise einsetzen, dass er erst Erbe wird, nachdem zuerst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Dann geht es um zwei Erbfälle. Der erste Erbfall ereignet sich, wenn der Erblasser stirbt. Es erbt der Vorerbe. Der zweite Erbfall wird gewöhnlich mit dem Tod des Vorerben ausgelöst. Jetzt erbt der Nacherbe oder die Nacherben. Der Erblasser kann allerdings auch einen anderen Zeitpunkt bestimmen (§ 2106 BGB), etwa die erneute Verheiratung der als Vorerbin eingesetzten Ehefrau. Er kann den Eintritt der Nacherbfolge auch an Bedingungen knüpfen.

    Mit diesem Verständnis können Vor- und Nacherbschaft selbstverständlich neben Immobilien auch im Hinblick auf andere Vermögensgegenstände, die von dem Testament erfasst sind, angeordnet werden. Da die Beurteilung der formalen und inhaltlichen Wirksamkeit des Testaments genauso wie die Abwicklung des Erbfalls immer nur nach ein- und demselben Erbrecht erfolgt, ist evident, dass in diesem Falle dem Willen des Erblassers insgesamt nicht mehr genüge getan ist und die Umsetzung des Testaments scheitert.

    Rechtswahl

    Um all diesen Unwägbarkeiten zu begegnen, sieht die EU-ErbVO die Möglichkeit einer Rechtswahl vor (Art. 22 EU-ErbVO; näher: Soutier, Verbindliche Rechtswahlen im Erbrecht, ZEV 2015, S. 515; Leitzen, Die Rechtswahl nach der EU-ErbVO, ZEV 2013, S. 128 ff). Der Erblasser kann also das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. In gleicher Weise kann er das Recht wählen, das am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gilt. Betroffene mit doppelter oder mehrfacher Staatsangehörigkeit haben die freie Auswahl bei der Bestimmung des Heimatrechts der Staaten, denen sie angehören, (Art. 22 Abs. 1 S. 2 ErbVO). Staatenlose besitzen logisch folgend kein Wahlrecht.

    Ausgeübt werden kann die Wahl aber nur für das gesamte Vermögen einheitlich. Denn die bisher denkbare Nachlassspaltung bei der Beteiligung immobiliaren Vermögens am Nachlass soll wie erörtert zukünftig gerade vermieden werden. Dies gilt aber nicht schrankenlos, wie sogleich näher zu erläutern sein wird.

    Die Wahl sollte aus Transparenzgründen ausdrücklich erfolgen. Das kann zum Beispiel in einem Testament oder in einem Erbvertrag geschehen. Aufzunehmen ist dann eine so genannte Rechtswahlklausel, die entsprechende Bestimmungen trifft.

    Wählt der spätere Erblasser bei der Errichtung eines Testaments zulässig das Erbrecht, nach dem sein Testament errichtet und sein Nachlass abgewickelt werden soll, so kann er natürlich auch bei Vorliegen der Voraussetzungen zu einer zulässigen Rechtswahl ausländisches Erbrecht wählen und damit Gestaltungsformen finden, die seinem Willen entsprechen, aber wiederum nach deutschem Erbrecht entweder unbekannt, nur in Grenzen oder gar nicht zulässig sind.

    Damit kommen für die möglichst ausdrückliche Rechtswahl aus Sicht des Erblassers vor allem zwei Motive infrage:

    Der Erblasser wünscht eine erbrechtliche Gestaltung, die nach deutschem Erbrecht nicht bekannt oder nur in Grenzen oder schließlich gar nicht zulässig ist, jedoch nach dem zulässig gewählten ausländischen Erbrecht funktioniert.

    Der Erblasser erhält Sicherheit über die erbrechtlichen Regeln, die im Falle einer errichteten Verfügung von Todes wegen formal und inhaltlich die Zulässigkeit einer Verfügung sicherstellen und die auch unabhängig von einem errichteten Testament oder einem geschlossenen Erbvertrag die Abwicklung des Nachlasses nach den gesetzlich eingreifenden Regeln gewährleisten.

    Art. 83 Abs. 2 EU-ErbVO stellt sicher, dass auch solche Rechtswahlen nach der Verordnung anzuerkennen sind, die schon vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit getroffen wurden. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dann also bleibt es bei einer etwaigen Nachlassspaltung.

    Hatte der Erblasser nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, gibt es allerdings keinen Bestandsschutz im Falle einer ausgeübten gegenständlich beschränkten Rechtswahl zum Beispiel nur für die Vererbung des Immobilienbesitzes. Relativ einfach lösbar sind diese Fälle noch dann, wenn das ausländische Internationale Privatrecht auf das deutsche Erbrecht zurückverweist und dieses Recht damit anwendbar wird. Enthält das ausländische Internationale Privatrecht allerdings eine solche Rückverweisung auf deutsches Erbrecht nicht, so können sich aus einer ausschließlich am Deutschen Erbrecht konzipierten Verfügung bei Eintritt des Erbfalls ab dem 17. August 2015 große Probleme ergeben (hinweisend: Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts – DNotI – Report August 2012, Seite 121, 122 rechte Spalte, erster Absatz).

    Testamentsgestaltung und Überprüfung (Rechtswahlklausel) notwendig

    Die Möglichkeit einer Rechtswahlklausel ist in Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO vorgesehen. Neu zu errichtende oder auch bestehende Testamente oder Erbverträge können danach zum Beispiel mit dem ausdrücklichen Wunsch versehen, bzw. ergänzt werden, dass im Falle des Todes deutsches Erbrecht anzuwenden ist, wenn es sich um einen Erbfall mit Auslandsbezug handelt. Dabei kann die Verfügung angepasst werden, noch bevor längere Auslandsaufenthalte anstehen. Noe (EE 2015, S. 155, 156) empfiehlt in diesem Fall, Angehörige und in Bedacht genommene Erben über die Wahl deutschen Erbrechts zu informieren, um Irrtümern bezüglich der Geltung deutschen oder ausländischen Erbrechts von vornherein auszuschließen.

    Überprüfung vorhandener Testamente oder Erbverträge im Einzelnen

    Bei der Überprüfung von Testamenten oder Erbverträgen kommt es nicht nur auf die Frage einer wirksamen Rechtswahlklausel an. Im Lichte der Verordnung sind sie in Erbfällen mit Auslandsbezug auch generell auf ihre materielle, also inhaltliche Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die Vorgabe dazu macht Art. 24 EU-ErbVO. Abs. 1 der Vorschrift bestimmt, dass sich die inhaltliche Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen nach dem Recht richtet, dass nach den Umständen zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung Erbstatut wäre. Das Erbstatut besagt in dem hier gewählten Kontext, nach welchem Recht (ausländischem Erbrecht oder deutschem Erbrecht) die Verfügung des Erblassers im Hinblick auf ihre inhaltliche Zulässigkeit zu beurteilen ist. Selbstverständlich ist auch hier eine Rechtswahl möglich. So kann zum Beispiel das Heimatrecht gewählt werden und dadurch ein höheres Maß an Abwicklungssicherheit erreicht werden.

    Bei der testamentarisch verfügten Rechtswahl ist stets klarzustellen, ob sie sich auf die Erbfolge (wer soll Erbe sein?), auf die Wirksamkeit der Verfügung an sich (zum Beispiel Formvorschriften für ein Testament oder für einen Erbvertrag oder Vorschriften zu den Grenzen inhaltlicher Gestaltungsmöglichkeiten) oder auf beide Gesichtspunkte beziehen soll (so ausdrücklich: DNotI-Report, Ausgabe August 2012, S 121, 122 – ohne Verfasserangabe).

    Auch für Erbverträge gilt nach der Verordnung das Recht, nach dem die vertragschließenden Parteien bei Abschluss des Vertrages beerbt werden würden (Art. 23 EU-ErbVO). Trifft der Erbvertrag mehrseitige oder wechselbezügliche Verfügungen, so ist er nur dann wirksam, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, nach dem die vertragsmäßig verfügenden Parteien bei Abschluss des Vertrages beerbt werden würden (Art. 25 Abs. 2 EU-ErbVO). Allerdings kann auch hier eine Rechtswahl in Bezug auf die Wirksamkeit und die Bindungswirkung des Erbvertrags getroffen werden (Art. 25 Abs. 3 EU-ErbVO). Gewählt werden kann hier nur das Recht des Staates, dem irgendeiner der Beteiligten angehört (Art. 25 Abs. 3 EU-ErbVO). Die Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthaltsort ist dagegen nicht möglich (hinweisend: DNotI-Report, Ausgabe August 2012, S. 121, 122 – ohne Verfasserangabe).

    Neben dem testamentarischen Inhalt kommt es auch auf die Überprüfung an, ob das Testament formwirksam errichtet worden ist. So sieht zum Beispiel das deutsche Erbrecht für privatschriftliche Testamente Schriftform in Bezug auf den Text und in Bezug auf die Unterschrift vor: Das Testament muss handgeschrieben und per Hand unterschrieben sein (§ 2247 Abs. 1 BGB). Die Verordnung unterscheidet hier:

    Unterfallen die EU-Mitgliedstaaten dem Haager Testamentsformübereinkommen vom 5. Oktober 1961 (BGBl. Teil II 1965, S. 1144 ff), dann richtet sich die Formwirksamkeit der Testamente weiterhin nach diesem Übereinkommen (Art. 75 Abs. 1 EU-ErbVO). Für die anderen Mitgliedstaaten sind die einschlägigen Kollisionsnormen des Haager Übereinkommens in Art. 27 der Verordnung übernommen worden. Sie gelten dann also als Verordnungsrecht (so ausdrücklich DNotI-Report, Ausgabe August 2012, S. 121, 122).

    Zu untersuchen bleibt, wie Testamente und Erbverträge zu behandeln sind, die aus der Zeit vor dem Geltungsbereich der Verordnung stammen. Hier kommt es auf die Übergangsvorschriften in Art. 83 EU-ErbVO an.

    Zunächst zur Erbfolge: Sie richtet sich für Personen, die ab dem 17.8.2015 verstorben sind, nach der Verordnung, bzw. nach dem Recht, auf das die Verordnung oder die nach ihr zulässige Rechtswahl verweist (Art. 83 Abs. 1 EU-ErbVO).

    Dann zur Rechtswahl: Wurde die Verfügung von Todes wegen vor dem zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung nach einem bestimmten Recht, zum Beispiel nach deutschem Erbrecht, errichtet und hätte der Erblasser nach den Bestimmungen der Verordnung dieses Recht auch wählen können, so gilt dieses Recht als gewählt, auch wenn sich dies aus der Verfügung von Todes wegen nicht ergibt (Art. 83 Abs. 4 EU-ErbVO). Dadurch sollen errichtete Verfügungen von Todes wegen möglichst in ihrem Bestand geschützt werden.

    Eine solche Verfügung ist im Übrigen wirksam, wenn sie nach den Verweisungsnormen der EO-ErbVO wirksam ist oder wenn sie den Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat entsprach, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder dessen Staatsangehörigkeit er besaß (so ausdrücklich DNotI-Report, Ausgabe August 2012, S. 121, 123, rechte Spalte, letzter Absatz). Die Folge:

    „Ein in Deutschland nach den Vorschriften des deutschen Rechts errichteter Erbvertrag oder errichtetes gemeinschaftliches Testament von ausländischen Staatsangehörigen, deren Heimatrecht diese Verfügungen für unwirksam erklärt, wird mit Anwendbarkeit der Verordnung geheilt“ (so wörtlich, DNotI-Report, Ausgabe August 2012, S. 121, 123 rechte Spalte, letzter Absatz, letzter Satz).

    Zum europäischen Nachlasszeugnis

    Dieses Europäische Nachlasszeugnis, durch die Verordnung zusätzlich eingeführt (Art. 62 ff EU-ErbVO), dient als zusätzlicher Identifikationsnachweis für den begünstigten Erben, Testamentsvollstrecker, Vermächtnisnehmer und Nachlassverwalter (instruktiv: Reimann, Testamentsvollstrecker im Auslandseinsatz: Änderung nach Inkrafttreten der EU-ErbVO?, ZEV 2015, S. 510 ff; Buschbaum / Simon EU-ErbVO: Das Europäische Nachlasszeugnis, ZEV 2012, S. 525 ff). Es soll eine Legitimation des Ausgewiesenen bei grenzüberschreitenden Erbfällen beinhalten, und mit dieser Funktion dabei helfen, grenzüberschreitende Erbfälle leichter und schneller in Bezug auf die berechtigten Erben anzuerkennen und abzuwickeln. Das Europäische Nachlasszeugnis ist sechs Monate lang gültig und kann auf Antrag verlängert werden. Es ersetzt nicht den deutschen Erbschein.

    Fazit:

    Hat man berufsbedingt oder aus sonstiger Lebensentscheidung (zum Beispiel Auslandsrentner) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, will man aber dennoch „auf Nummer sicher“ gehen und nach deutschem Erbrecht vererben, so muss eine entsprechende Rechtswahl getroffen werden. Sie sollte ausdrücklich durch eine Rechtswahlklausel in einer Verfügung von Todes wegen zum Ausdruck kommen. Zumindest ist sicherzustellen, dass sich eine solche Rechtswahl aus dem Inhalt eines eigenen Testamentes oder Erbvertrags ergibt (Art. 22 EU-ErbVO). Selbstverständlich ist eine ausdrückliche Bestimmung rechtlich sicherer.

    In jedem Fall aber sollten die Betroffenen bei Auslandsbezügen ihre Nachlassplanung insbesondere in Form eines Testaments oder eines Erbvertrags auch formell und inhaltlich überprüfen. Das gilt aber auch dann, wenn keine eigenen Verfügungen von Todes wegen existieren und der (zukünftige) Erbfall dann nach gesetzlichem Erbrecht behandelt wird. Denn ausländische erbrechtliche Regelungen können ebenso erheblich vom Deutschen Erbrecht abweichen. Angesprochen wurde bereits die Möglichkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments. Zu erwähnen ist aber auch das Pflichtteilsrecht (vgl. näher zum israelischen Erbrecht: Reich / Assan, Das anwendbare Erbrecht in deutsch-israelischen Erbfällen: Veränderungen durch die EU-Erbrechtsverordnung, ZEV 2015, S. 145 ff; Weber, Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge im Spiegel der EU-ErbVO, ZEV 2015, S. 503 ff).

    Dies alles bedarf komplexerer und tieferer Rechtskenntnisse, die sich gerade eben auch auf das jeweils infrage kommende ausländische Erbrecht erstrecken müssen. Im Zweifel sind deshalb diese Fragen mit einem Notar oder mit einem Fachanwalt für Erbrecht zu lösen.

    Lebt der spätere Erblasser dauernd oder überwiegend im Ausland und hat er eine Rechtswahl testamentarisch getroffen, so sollte das Testament in dem EU-Land behördlich oder gerichtlich hinterlegt werden, damit die getroffenen Bestimmungen hinterher im Todesfall auch wirklich sicher umgesetzt werden.

    Bei einem eigenen gewöhnlichen Aufenthalt zum Beispiel in Spanien kann das Testament beim zentralen Testamentsregister in Madrid angemeldet werden (hinweisend: Noe, In Verfügungen deutsches Erbrecht bestimmen, EE 2015, S. 144, 145). Dies ist auch mit deutschen Testamenten möglich (Noe, a. a. O.). Noe empfiehlt darüber hinaus, ergänzend eine mehrsprachige Hinweiskarte bei sich zu führen, mit der auf die Existenz und die Hinterlegung eines Testaments mit Rechtswahlklausel hingewiesen wird (a.a.O.).


    Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen